30. Kapitel

 

Ramil rollte sich von der Vampirfrau herunter und wischte sich das Blut von den Lippen.

»Das war perfekt«, flüsterte Anastasia und schmiegte sich an ihn, fuhr mit ihren langen Fingernägeln durch seine Brustbehaarung. Die schattige Vertiefung zwischen ihren Brüsten verbarg die blutigen Bissspuren. Blut lief in einem dünnen Rinnsal über ihren flachen Bauch und sammelte sich in ihrem Nabel. Ramil überlegte, ob er die köstliche Kuhle nicht auslecken sollte. »Du bist so stark, so ...«

»Schweig!«

Er begehrte Anastasias Blut und das, was ihr Schoß ihm schenken konnte, aber ihre Schmeicheleien gingen ihm auf die Nerven. Anastasias Gesicht verdüsterte sich, und sie fletschte grollend die Zähne.

Ramil schlug sie mit dem Handrücken. Anastasia flog über die Matratze, erholte sich jedoch sofort und hielt sich die rasch anschwellende Wange. Ramil schenkte ihr ein grausames Grinsen. Dann hob er seine Hand an den Mund und schlitzte mit einem Fangzahn sein Handgelenk auf. Blut sickerte hervor, das er ihr anbot.

Anastasia packte gierig seinen Arm und leckte das wenige Blut auf, das hervorsickerte, bevor sich die kleine Wunde wieder schloss. Trotzig warf sie ihr langes blondes Haar zurück und zog einen Schmollmund. Ihre Wange war allerdings bereits wieder abgeschwollen.

Ramil entriss ihr seine Hand und warf seine langen Beine über die Bettkante. Er mochte Anastasia nicht sonderlich; tatsächlich ertrug er sie nur, weil sie wie er zu den Ältesten gehörte und er daher hoffte, sie schwängern zu können. Bisher hatte sie ihn nur enttäuscht. Seit Wochen teilte er das Bett mit ihr, und sie war immer noch nicht guter Hoffnung.

Einfach unerträglich, wie schwer es den Vampiren fiel, sich zu vermehren. Die schwachen Menschen dagegen setzten einen Balg nach dem anderen in die Welt. Aber so würde es nicht mehr lange bleiben! Ramil wusste genau, was er mit all den Menschen anfangen würde, wenn die Vampire endlich an der Macht waren: Es würde ein Fest geben. Auf jedem Tisch ein Menschenkind!

Ramil sprang auf und schritt nackt aus dem Schlafzimmer. Er ging den langen Gang entlang bis zu seinem Ende, wo der große Raum lag, den sie als Labor eingerichtet hatten.

»Wer ist da?«

Das Labor war nur schwach beleuchtet, aber Ramils scharfe Vampiraugen hatten keine Mühe, alles gut zu erkennen. Er ging an zahlreichen Glasflaschen und -kolben, Schläuchen und Instrumenten vorbei auf den glatzköpfigen Mann im Kapuzenmantel zu.

»Ramil! Entschuldige, ich habe nicht gleich erkannt, dass du es bist.«

Ohne die Entschuldigung des Wissenschaftlers zur Kenntnis zu nehmen, glitt Ramils Blick über die Menschenfrau. Sie war hübsch, hatte lange, dunkle Haare und eine zierliche Taille. Ihr nackter Leib war makellos, die Hüften breit genug, um Kindern das Leben zu schenken. Gut. Über der Frau hing eine eigenartige Holzschachtel mit einer labyrinthartigen Struktur. Ein Schlauch, der im Arm des Mädchens steckte, war mit dieser Box verbunden.

»Diesmal wird es doch wohl funktionieren, hoffe ich?«

Ein Mädchen nach dem anderen war auf dem Tisch gestorben, verbunden mit dieser Transfusionsbox. Die Toten machten Ramil nichts aus, das Fehlschlagen des Experiments dagegen schon. Seine Geduld war am Ende, und das spürte auch der Wissenschaftler. Hastig bemühte er sich um eine Erklärung.

»Ich habe zuvor den Fehler gemacht, die Mädchen auszutrinken, bevor sie genügend Vampirblut in den Adern hatten. Sie starben, bevor sich die Wandlung vollziehen konnte. Diesen Fehler mache ich diesmal nicht, aber es ist trotzdem ein äußerst kniffliger Prozess ...«

»Genug!«

Ramil wandte sich zornig von dem Wissenschaftler und seinem »Experiment« ab. »Ich habe genug von deinen Ausflüchten. Wenn du's diesmal nicht schaffst, wirst du die Konsequenzen tragen müssen!«

Die Hände zu Fäusten geballt, schritt Ramil wieder aus dem Zimmer. Die Zeit war reif. Schon bald wären die Clanführer genau da, wo er sie haben wollte. Bald schon würde er seinem Volk den wahren, den richtigen Weg zeigen, und die Welt würde die wahre Ordnung der Lebewesen kennen lernen. Es waren die Vampire, die herrschen sollten, und die Menschen mussten ihnen dienen. Und diese Missgeburten, die sich Auserwählte nannten, mussten vom Erdboden getilgt werden ...

Er stieß die Tür zu Anastasias Gemach so heftig auf, dass sie gegen die Wand prallte. Die Vampirfrau hatte sich nicht von der Stelle gerührt, blickte ihm erwartungsvoll vom Bett aus entgegen. Sie kannte seine Gewohnheiten und freute sich, als sie sah, wie zornig er war. So mochte sie es am liebsten: hart und brutal.

Im nächsten Moment schon war er über ihr, warf sie auf den Bauch, zwang sie, sich auf alle viere aufzurichten. Bald wäre er der Anführer ihres Volks, und die Menschen würden vor ihnen im Staub kriechen, aber noch waren sie zu wenige. Das hatte ihn das Schicksal seines Bruders gelehrt. Sergej war Visionär gewesen, ein Vampir, der wusste, was er zu tun hatte. Aber er war verraten worden. Wutentbrannt krallte Ramil seine Finger in Anastasias zarte Haut. Blut quoll hervor.

Zuerst würde er die Clanführer beseitigen, dann begann ein neues Zeitalter. Sobald das Experiment gelang und genügend Menschen umgewandelt waren, würde er den Rest der Menschheit in die Knie zwingen, so wie die kleine Anastasia vor ihm auf den Knien lag.

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